Im Rahmen der Revision des Erbrechts vom 1. Januar 2023 wurde der Pflichtteil der Nachkommen von drei Viertel auf die Hälfte reduziert, was dem Erblasser eine grössere Verfügungsfreiheit einräumt. Vor der Revision existierte ebenfalls ein Pflichtteil der Eltern, welcher im neuen Recht gänzlich abgeschafft wurde (Art. 471 ZGB).
Vor der Revision des Erbrechts verlor der Ehegatte des Erblassers seinen Pflichtteil erst im Falle eines rechtskräftigen Scheidungsurteils. Da jedoch Scheidungsverfahren unter Umständen lange dauern und durch den Erbanspruch des Ehegatten ein Interesse bestand, diese in die Länge zu ziehen, hat der Gesetzgeber nun den Zeitpunkt des Pflichtteilverlustes neu festgesetzt. Ist beim Tod des Erblassers ein Scheidungsverfahren hängig, so verliert der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch, wenn das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde. Zudem verliert der überlebende Ehegatte ebenfalls seinen Pflichtteilsanspruch in einem hängigen Scheidungsverfahren, wenn die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben (Art. 472 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZGB). In einem solchen Fall gelten die Pflichtteile, wie wenn der Erblasser nicht verheiratet wäre (Art. 472 Abs. 2 ZGB). Diese Bestimmungen gelten bei Verfahren zur Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft sinngemäss (Art. 472 Abs. 3 ZGB).
Im Zuge der Revision des Erbrechts vom 1. Januar 2023 wurde eine in der Lehre stark umstrittene Rechtsprechung des Bundesgerichts durch die Ergänzung der Bestimmung hinfällig. Das Bundesgericht hat im Rahmen des alten Rechts entschieden, dass Schenkungen, Testamente und Erbverträge nur dann anfechtbar waren, wenn der Erbvertrag ein Schenkungsverbot enthielt oder eine Schädigungsabsicht des Erblassers ersichtlich war. Diese Kriterien stiessen in der Lehre insbesondere aufgrund der relativ hohen Beweishürde auf Kritik. Um diesem Missstand zu begegnen, führte der Gesetzgeber im Rahmen der Revision des Erbrechts vom 1. Januar 2023 ein Schenkungsverbot als Grundsatz bei Erbverträgen ein (Art. 494 Abs. 3 Ziff. 1 und 2 ZGB).
Im Rahmen der Revision des Erbrechts vom 1. Januar 2023 wurde der verfügbare Teil in Hinblick auf die Einräumung einer Nutzniessung vergrössert. Vor der Revision konnte der Erblasser dem überlebenden Ehegatten lediglich einen Viertel des Nachlasses als Eigentum zuweisen und ihm eine Nutzniessung von drei Vierteln zulasten der gemeinsamen Nachkommen gewähren. Neu kann der Erblasser den überlebenden Ehegatten stärker begünstigen, da dieser nun befugt ist, die Hälfte des Nachlasses dem überlebenden Ehegatten als Eigentum zu vererben und die andere Hälfte in Form einer Nutzniessung zuzuweisen (Art. 473 Abs. 1 ZGB).
Mit der Revision des Erbrechts hat der Gesetzgeber die Durchführung der Herabsetzung klar definiert. Der Herabsetzung unterliegen zuerst die Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge, dann die Zuwendungen von Todes wegen (Testamente und Erbverträge) und anschliessend die Zuwendungen unter Lebenden (z.B. Schenkungen) (Art. 532 Abs. 1 Ziff. 1-3 ZGB). In Hinblick auf die Zuwendungen unter Lebenden werden zuerst die der Hinzurechnung unterliegenden Zuwendungen aus Ehevertrag oder Vermögensvertrag herabgesetzt, dann die frei widerruflichen Zuwendungen und Leistungen aus der gebundenen Selbstvorsorge und anschliessend die weiteren Zuwendungen, wobei zuerst die späteren herabgesetzt werden (Art. 532 Abs. 2 Ziff. 1-3 ZGB). Des Weiteren wurde in Hinblick auf Zuwendungen unter Lebenden eine in der Lehre umstrittene Frage geklärt. Vor der genannten Revision war es nicht klar, ob Zuwendungen aus einem Ehevertrag als Zuwendungen unter Lebenden zu qualifizieren seien. Diese gelten nun per Gesetz als Zuwendungen unter Lebenden (Art. 216 Abs. 2 ZGB) und können somit herabgesetzt werden.
Im Rahmen der Revision des Erbrechts vom 1. Januar 2023 wurde auch hinsichtlich der Guthaben von Begünstigten aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) klargestellt, dass diese nicht in den Nachlass fallen. Die Begünstigten können nach dem Ableben des Erblassers gegenüber dem Versicherer einen direkten Anspruch geltend machen (Art. 82 Abs. 4 BVG).