Enterbung

Unter welchen Bedingungen ist eine Enterbung möglich?

Wenn der Erbe gegen den Erblasser oder gegen eine diesem nahe verbundene Person eine schwere Straftat begangen hat oder wenn er gegenüber dem Erblasser oder einem von dessen Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat (Art. 477 Ziff. 1 und 2 ZGB), so kann dieser enterbt werden.

Welche Personen gelten als dem Erblasser nahe verbunden?

In die Kategorie der dem Erblasser «nahe verbundenen Personen» fallen der Ehegatte, eingeschriebene Partner, die Eltern, Kinder oder enge Freunde. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass das Gesetz keinen bestimmten Personenkreis definiert. Ausschlaggebend ist die konkrete Beziehung, welche zwischen dem Erblasser und dem Opfer besteht. Straftaten eines pflichtteilsberechtigten Erben gegen Personen, zu denen der Erblasser keinen näheren Bezug hat, vermögen keine Enterbung zu rechtfertigen.

Was versteht man unter «schwerer Straftat» im Kontext der Enterbung?

Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ist die Handlung oder Unterlassung sowie deren Wirkung in Bezug auf die Enterbung gemäss privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Einzige Ausnahme bildet der rechtskräftige Freispruch eines Strafgerichtes wegen erwiesener Unschuld. Als Orientierung gilt, dass lediglich Handlungen in Betracht gezogen werden können, welche im Sinne des Strafrechts als Verbrechen oder Vergehen qualifiziert werden. Die Frage, ob eine Strafe ausgesprochen, ein Strafantrag gestellt oder zurückgezogen wurde, ist in Hinblick auf das Vorliegen einer «schweren Straftat» nicht erheblich. Auch die Einleitung der Strafverfolgung sowie eine mögliche Verjährung sind nicht von Belang. Die Täterschaft ist nicht von zentraler Bedeutung, denn bereits die blosse Mittäterschaft, Anstiftung oder Gehilfenschaft kann zur Enterbung Anlass geben.

Welche familienrechtlichen Pflichten sind in Verbindung mit der Frage der Erbunwürdigkeit ausschlaggebend?

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch enthält mehrere Bestimmungen, deren Inhalt familienrechtliche Pflichten widerspiegeln. So könnte im Rahmen der Erbunwürdigkeit eine Verletzung der Unterstützungspflichten der Verwandten (Art. 328 ZGB), der Pflicht zu Beistand, Rücksicht und Achtung zwischen Eltern und Kindern (Art. 272 ZGB) oder der Pflichten zwischen Ehegatten (Art. 159, 163, 164 ZGB) die Erbunwürdigkeit eines Erben bewirken. Ein distanziertes Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilserben, die Heirat einer nicht den Erwartungen entsprechenden Person, das Ergreifen eines gewissen Berufes, religiöse Konvertierung, Auswanderung oder politische Ansichten vermögen eine Enterbung nicht zu begründen. Das Bundesgericht hat jedoch eine Verletzung der familienrechtlichen Pflichten im Falle einer ausserehelichen Liebesbeziehung bejaht. Das Bundesgericht erachtete ebenfalls die Tochter des Erblassers aufgrund deren wiederholten Ehebruchs und der anschliessenden Auswanderung mit dem Geliebten, trotz der Tatsache, dass diese drei kleine Kinder hatte, als erbunwürdig.

Welche Wirkung entfaltet eine Enterbung?

Der Enterbte kann weder an der Erbschaft teilnehmen noch die Herabsetzungsklage geltend machen (Art. 478 Abs. 1 ZGB). Der Anteil des Enterbten fällt, sofern der Erblasser nicht anders verfügt hat, an die gesetzlichen Erben des Erblassers (Art. 478 Abs. 2 ZGB). Die Situation verhält sich so, als wäre der Enterbte niemals ein Erbe gewesen, denn dieser hat in Hinblick auf den Erbgang keines der Rechte, die Erben zustehen, und erhält nichts aus dem Nachlass.

Wann ist eine Enterbung gültig?

Der Erblasser muss den Enterbungsgrund in seinem Testament angeben (Art. 479 Abs. 1 ZGB).

Wer muss das Vorliegen eines Enterbungsgrundes nachweisen können?

Wenn der Enterbte die Enterbung anficht, so hat der Erbe oder der Bedachte, der aus der Enterbung Vorteil zieht, das Vorliegen des Enterbungsgrundes zu beweisen (Art. 479 Abs. 2 ZGB).

Was geschieht, wenn dieser Nachweis nicht erbracht werden kann?

Das Testament wird insoweit aufrechterhalten, als sich dies mit dem Pflichtteil des Enterbten verträgt, es sei denn, dass der Erblasser die Verfügung in einem offenbaren Irrtum über den Enterbungsgrund getroffen hat (Art. 479 Abs. 3 ZGB).

Kann der Erblasser einen Nachkommen enterben, wenn dieser zahlungsunfähig ist?

Ja, diese Möglichkeit besteht. Hat der Nachkomme Verlustscheine, so kann ihm der Erblasser die Hälfte seines Pflichtteils entziehen. Dies ist jedoch nur möglich, sofern er diese Hälfte den Kindern des betroffenen Nachkommen zuweist (Art. 480 Abs. 1 ZGB).

Kann sich der zahlungsunfähige Erbe gegen diese Art der Enterbung wehren?

Ja, die Enterbung fällt auf Initiative des Enterbten dahin, wenn bei der Eröffnung des Erbganges keine Verlustscheine mehr bestehen oder wenn deren Gesamtbetrag einen Viertel seines Erbteils nicht übersteigt (Art. 480 Abs. 2 ZGB).